Nachdem ich heute nachmittag mit einer fremden Lok eine peinliche Vorstellung hatte, obwohl man mich gewarnt hatte, möchte ich nun einmal mein Knowhow aus meiner früheren Welt als Chemieingenieur benutzen, um die möglichen Ursachen zu analysieren. Ich konnte machen was ich wollte, die Lok machte einfach nicht genug Dampf. Der Eigentümer lachte sich eins, und fuhr anschließend ohne Probleme seine Runden...
Er kannte den Trick.
Das folgende mag etwas theoretisch klingen, es spiegelt die tatsächlichen Verhältnisse aber wieder.
Schaut einmal das Diagram an.
Dort sind die Kurven von Wärmeerzeugung unf Wärme(ab)transport bei einem chemischen Reaktor mit Wärmeübergang und Selbsthemmung der chemischen Reaktion dargestellt. Der Kessel ist nichts anderes als eine solcher Reaktor. Die Selbsthemmung kommt dadurch zustande, daß die Verbrennungsgase erst zu den Oberflächen der glühenden Kohlen gelangen oder vor dort wieder wegdiffundieren müssen. Ausserdem entstehen hemmenden Reaktionsprodukte, Asche.
W ist die erzeugte oder abtransportierte Wärmemenge
T ist die Reaktionstemperatur
(Da wo sich die Achsen schneiden ist nicht Null grad!)
Die geschwungene Kurve II ist die durch chemische Reaktion freigesetzte Wärmemenge. Zuerst bescheunigt sich alles mit steigender Temperatur, aber dann tritt die Hemmung ein. Die Geraden I, Ia, Ib sind verschiedene Fälle des Wärmeüberganges (-abtransportes). Der Wärmeübergang ist fast immer proportional zur Temperatur.
Betrachten wir einmal Kurven I und II und deren Schnittpunkte. An den Schnittpunkten sind die Verhältnisse ausgeglichen: gleich viel Wärme wird erzeugt wie abtransportiert. Von den drei Betriebspunkten (Schnittpunkten) 1, 2 und 3 sind aber nur Punkte 1 und 3 stabil. Etwas 'rechts' von 2 wird mehr Wärme erzeugt, das ganze System heizt sich auf und landet bei 1.
Oberhalb von 1 wird wieder gekühlt, so daß sich stabile Verhältnisse einstellen.
Hier haben wir ein nettes helles Feuer!
Unterhalb von 2 kühlt sich alles schnell ab (mehr Wärme abgeführt als erzeugt) und wir gelangen zum Punkt 3, wo wir nur noch eine müde 'schwarze' Glut hätten, die Lok hat eine miese Leistung.
Ein Kessel mit einer Wärmeübergangskurve Ia wäre ein sehr guter Dampferzeuger. Unterhalb des Betriebspunktes 6 ist ein weiter Bereich, wo jede Störung oder Lastschwankung das System wieder zu dem guten Betriebspunkt zurückbringt.
Das andere Extrem wäre das System mit Wärmeübergangskurve Ib. Dort gibt es überhaupt keinen Betriebspunkt mit stabiler Wärmeerzeugung auf hohem Niveau.
Was kann man nun tun, um die Leistung zu verbessern?
1. Guten Wärmeübergang sichern:
Kesselrohre sauber halten, Verkalkungen vermeiden
2. Die Selbsthemmung später eintreten lassen:
Richtige Luftmengen, guter Zug zum Schornstein, richtige Freifläche beim Rost,
aber auch passender Abstand der Roststangen, damit Schlacke schnell aus dem System herausfällt.
RICHTIGE Höhe und Verteilung des Glutbettes.
Klinkerbildung vermeiden, Glutbett nicht zu häufig aber auch nicht zu selten 'durchziehen'
schlackenarme Kohle verwenden
Hierdurch entsteht ein größerer 'Bauch' oberhalb der Geraden des Wärmeübergangs.
Der Trick bei der Lok war, nach einer Zeit, die der Eigentümer gut kannte immer mal wieder leicht am Rost zu rütteln und Glutbett von hinten nach vorn hin abfallend halten.