Darf´s ein Kessel mehr sein ...

  • In der letzten Zeit zeigten sich Mängel an zwei „betagten“ Kesseln in unserem Modellbaupark. Zum Beispiel Kesselstein am Bodenring, der sich nur mit dem Bohrhammer heraus brechen ließ sowie Rohre die verschlossen werden mussten, weil sie leckten. Die notwendige Reparatur konnte gerade so noch durchgeführt werden und die Druckprobe war zum Glück erfolgreich, aber ein Kesselneubau war in absehbarer Zeit unumgänglich. Ebenso benötigen wir zusätzliche Kessel für zwei Neubauprojekte. Möglichst viele Teile sollten durch Laserzuschnitt vorbereitet werden. Trotzdem gibt es noch ausreichend Teile, die gesondert hergestellt werden und natürlich müssen auch die Laserteile von Oxiden befreit werden.

    Da mein Freund Marcus (siehe Foto) ausgebildeter Schweißer ist und auch über genügend Erfahrung im Schweißen verfügt ist unsere Arbeitsteilung klar. Also machte ich mich an die Kesselzeichnungen für folgende Loks:

    Henschel Typ Riesa, M 1:6, Spur 5“, 2 Kessel

    99 4301, M 1:6, Spur 5“, 1 Kessel

    BR 44, M 1:11, Spur 5“, 1 Kessel

    BR 38 (bay.P3/5H),M 1:8, Spur 7 1/4“, 1 Kessel

    Die Zeichnungen für die Riesa und die 99 4301 waren vorhanden und mussten nur für den Laserzuschnitt aufbereitet werden. Hierbei wird ein Kessel für eine weitere Riesa benötigt und wenn man schon einmal dabei ist... ein Ersatzkessel für meine seit 9 Jahren zum größten Teil im harten Personenverkehr eingesetzte Riesa. Für die 99 4301 und die P 3/5H gilt das gleiche, nur dass hier bereits o.g. Reparaturen erfolgen mussten. „Harter Personenverkehr“ bedeutet, dass jedes Wochenende in der Saison mit Dampf gefahren wird. Leider haben wir auch noch eine recht hohe Wasserhärte (schlechter als 16°dH ). Erst in den letzten drei Jahren ist es uns gelungen, eine durchgängige, wirkungsvolle und physiologisch unbedenkliche Wasserbehandlung zu etablieren. Die BR 44 benötigt einen besonders leistungsfähigen Kessel, da es sich bei ihr um einen richtigen Drilling, mit Zylinderdurchmesser von 50mm, handelt. Der 44iger Kessel soll aber trotzdem ein Nassdampf-Kessel, (ohne Überhitzerelemente) werden. Also Ausnutzung aller Möglichkeiten, wie große Feuerbüchse, Verbrennungskammer, Siederohre in Feuerbüchse und zurücksetzen der Kesselrückwand in Richtung Rahmenende. Letzteres hat sich eigentlich für alle unsere Modellkessel bewährt. Der optische Kompromiss der weit zurückliegenden Kesselrückwand wird durch den Führerstand kaschiert und man erhält eine Menge Vorteile:

    -Vergrößerung des Kesselvolumens

    - Vergrößerung der Feuerbüchse (70% des Kesseldampfes entsteht dort)

    -Vergrößerung des Abstandes zwischen Rost und Radlager (unser Feuer ist so heiß wie bei der „großen“ Lok, aber der Abstand ist viel geringer)

    - Bessere Bedienbarkeit der Ventile

    - Bessere Beobachtung des Wasserstandsglases

    Ebenso gilt für alle unserer Kessel, die Anordnung von ausreichend Waschluken, der Einbau von Quersiederohren in der Feuerbüchse und die Abstützung der Feuerbüchsdecke mit durchbrochenen Versteifungen.

  • Wenn wir schon mal dabei sind, schauen wir uns mal die Kessel an. Zuerst wird das Rohrbündel zwischen den beiden Rohrwänden geschweißt. Am besten mit WIG. Dazu haben wir die Rauchkammerrohrwand mit einer kleinen Schweißhilfe gelasert, so dass beide Rohrwände auf einem Vierkantrohr geheftet werden können. Auf Seiten der Verbrennungskammerrohrwand muss man besonders sorgfältig arbeiten, da die Schweißnähte später nur sehr schlecht zugänglich sind.

    Als nächstes wird die Verbrennungskammer ( nur beim Kessel der BR44) und die Feuerbüchse aufgebaut. Die Verbrennungskammer vergrößert die Heizfläche der Feuerbüchse und hilft die Rohrlängen zu kürzen, was beim Ausbürsten der Selben sehr hilfreich ist. Danach werden die Quersiederohre eingebaut. Sie wirken ähnlich wie ein Siphon, aber versperren nicht die Feuerbüchsrohrwand, da sie quer und oberhalb der Feuertür in die Feuerbüchse eingebaut werden.

    Die Feuerbüchsdecke wird anschließend durch Aufschweißen zweier durchbrochener Stege stabilisiert. Leider haben wir dazu kein Foto gemacht. Danach haben wir den Kesselmantel vorbereitet. Der Ausschnitt der Feuerbüchse wird vorgenommen und alle Bohrungen für Dome und Entnahmestutzen werden eingebracht. Durch den Einbau der Verbrennungskammer wird an der Stiefelknechtplatte zur Vermeidung von Kesselsteinablagerungen noch ein zusätzlicher kegelförmiger Kesselschuss eingefügt. In die Kesselrückwand wird der Rahmen für die Feuerluke beidseitig eingeschweißt. Alle Schweißnähte an Feuerbüchse und Kesselmantel konnten ebenfalls beidseitig geschweißt werden. Die Dampfentnahmeleitung muss genau zum vorgesehenen Dom eingebaut werden, so dass dort ein geeigneter Kugelhahn als Regler bequem eingeschraubt werden kann. . Ebenso werden die anderen Kessel gefertigt, nur dass bei den Schmalspurloks die Regler außerhalb des Kessels liegen und alle anderen über keine Verbrennungskammer verfügen.

    Die Rohre mit Feuerbüchse werden in den Kesselmantel eingeschoben, entsprechend angepasst und zusammen mit der Kesselrückwand geheftet. Die Löcher für die Stehbolzen werden eingebracht, bzw. sind einseitig bereits im Laserzuschnitt vorhanden.

    Die Stehbolzen und die Rückwand werden eingeschweißt. Alle Stutzen, Dome und Waschluken werden angebracht (Waschluken für die Quersieder nicht vergessen). Als letztes wird der Bodenring eingebaut Die meisten Arbeiten haben wir aus Zeitmangel parallel ausgeführt, d.h. zuerst z.B. alle Rohrbündel geschweißt usw.

    Natürlich müssen sich alle Kessel noch einer Druckprobe von 20 bar unterziehen.

  • Hallo!
    Wow, danke für den Bericht!

    Könntest du mir evtl. mehr infos über den 44er Kessel zukommen lassen?
    Ich kann mir da gerade nur recht wenig darunter Vorstellen, obwohl du einen echt tollen Bericht verfasst hast!

    Da ja demnächst auch ein Kessel auf mich zukommt, wäre ich dir echt dankbar, denn ich werde sicherlich auch jede menge Leistung benötigen und eure Lösung klingt recht genial.


    MFG Michael

  • Schöne Facharbeit! Richtige Produktion wie in eine Lok Fabrik.
    Habt ihr noch Spezialen Werkstoffe genutzt?
    Grüße Erik-Jan

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  • Foto hab ich mir übrigens angesehen!

    Das mit den Quersiederohren dürfte soweit klar sein, nur die Brennkammer gibt mit noch ein paar Rätsel auf!

    Sollen die Rauchgase dort noch ein wenig Arbeit vollbringen, bzw habt ihr ähnlich wie bei einem Kamin Zwischenwände drinnen um die Rauchgase umzuleiten und dadurch länger im Brennraum zu halten?

    Ich werde meine Lok, warscheinlich mit Gas oder Öl heizen, hab ich diese Vorteile dann auch, oder ergibt sich dass nur bei Kohlefeuerung?


    MFG

  • Mich würde auch interessieren, wie die Reihenfolge der Schweißnähte innnen und außen um die Verbrennungskammer war.

  • @ logi

    Hast schon verstanden worum es geht.
    Das mit der Verbrennungskammer ist relativ einfach erklärt.
    Eigtl. wird vor ihr noch ein Feuerschirm verbaut der die heißen Rauchgase umlenken soll, damit sie länger Wärme in der Feuerkiste abgeben. Aber auch ohne Feuerschirm macht die Verbrennungskammer Sinn, weil die Strahlungsheizfläche wichtiger ist als die Rohrheizfläche.
    Ein weiterer wichtiger Punkt (der aber bei unseren Modellloks vernachlässigt werden kann) ist das die Flammen nicht direkt an die empfindliche Rohrwand schlagen...

    Harzbahner

  • Hallo Erik-Jan,

    ohne die Edelstahl-Diskussion wieder anzuheizen ... wir haben St 37 verwendet. Das heist St 37 ist die alte Bezeichnung, aber beim Stahlhandel wird man trotzdem noch verstanden. Dieses Blech entspricht ungefähr Kesselblech ist aber natürlich ohne Zertifikat.

    Hallo Johannes,

    die Feuerbüchsen werden erst an der Vorderseite mit dem Rohr für die Feuertür beidseitig verschweißt, dann vollständig alle äußeren Nähte und anschließend alle inneren Nähte geschweißt ... mit einer Ausnahme, eben jene Feuerbüchse mit Verbrennungskammer. Hierbei wird die Rohrwand, die bereits wie bei den anderen mit dem Rohrbündel verbunden ist, an die fertig geschweißte Feuerbüchse angesetzt und mit einer "sauberen Wurzel" und weitern Decknähten mit dieser verbunden. Das einbringen einer Innennaht ist hier aus Platzgründen nicht möglich.

    Hallo logi,

    siehe Harzbahner

    Gruß Achim

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  • Alle Achtung Achim, ich bin beeindruckt was ihr so alles auf die Beine stellt in Deiner Werkstatt.
    Grüß mir auch mal den Marcus von mir.

    Viele Grüße
    Stefan

  • Hallo

    Ihr seid mutig!!!

    Zitat "wir haben ST 37 verwendet. Das heist St 37 ist die alte Bezeichnung, aber beim Stahlhandel wird man trotzdem noch verstanden. Dieses Blech entspricht ungefähr Kesselblech ist aber natürlich ohne Zertifikat".


    Das entspricht keineswegs Kesselblech!!! Kesselblech ist warmfest, das heisst es behält seine Festigkeit auch bei höheren Temperaturen .Es gibt eben nicht umsonst Kesselblech ( St 35.8 oder St 52.8 bzw P265GH neuere Bezeichnung).Sorry wenn ich das sage, aber das ist Schrott ,würde ich so nicht in Betrieb nehmen .

    Und das hat nix mit Edelstahldiskusion zu tun, ich denke hier gehts um Leib und Leben ....

    Gruss Andreas

    Einmal editiert, zuletzt von IVK fan (13. November 2012 um 21:14)

  • Andreas,

    die Zimmermann Kessel sind auch aus einem ST 37 Stahl.
    Also willst Du jetzt behaupten das die auch bei Zimmermann nicht wissen was sie tun und "Schrott" verkaufen? Und das vor allem schon seid 40 Jahren?
    Jetzt lehnst Du Dich aber sehr weit aus dem Fenster...

  • Moin
    Laut Internetseite von Zimmermann sind die Kessel alle aus geprüftem kesselblech und nahtlosem siederohr.
    Also kein normaler st 37.

    Gruss Marc

  • Hallo Achim

    Eine Frage habe ich zum Aufbau:
    Hast du die Deckenanker der Feuerbüchse mit dem Kesselrohr verbunden oder lässt du den Bodenring alle Kräfte abfangen?
    Das ist auf den Fotos nicht zu erkennen.

    mfg

    Thomas

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  • Das ist eine ganz angebrachte Frage, Thomas!
    Die Vorschriften für die Konstruktion von Modellkesseln VERBIETEN dies mancherorts. So zB in Australien und Kanada.
    Hier in UK sind Deckenanker, die sich nur auf der FB-Decke abstützen aber erlaubt! Der Kessel der Simplex-Lok (Martin Evans) hat solche Deckenanker.
    Wer also einen solchen Simplex nach OZ einführen will, der kann eine Ueberraschung erleben.

  • Hallo Achim

    Eine zweite Frage habe ich auch noch:

    Warum hast du auf die Verwendung von Kesselblech verzichtet, wenn du sowieso Laserzuschnitt verwendest?
    Der Preisunterschied von hier etwa 25% macht doch bei den eher kleinen Flächen nicht so viel aus. Dagegen verzichtest du auf einen erheblichen Teil der Lebensdauer, da St 37 doch unglücklicher korrodiert als HII.

    Welche Materialstärken hast du für die Feuerbüchse, den Stehkessel und die Rohrwände gewählt?

    Sicherheitsbedenken wie sie der Andreas äussert habe ich im übrigen nicht.
    Irgendwann ist jeder Stahlkessel durch, dann ist es egal aus welchem Material er war, bei deiner Konstruktion wahrscheinlich an den Rohren...
    wie du es bei den Vorgängern beschrieben hast.

    mfg

    Thomas

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  • Tach zusammen,

    bei der DB (Stand 1959) waren folgende Kesselbaustoffe zugelassen:

    1. St 34 Kesselbau
    2. IZ II Feuerbüchse
    3. H I A nicht näher erläutert

    Ein Modellkessel in St 37 soll wohl schon eine Weile halten.

    Gruß Bucki

  • Hallo


    Thomas es geht nicht darum ob und wann ein Kessel "durch" ist St 37 ist kein zugelassener Kesselstahl. Wozu sonst braucht man für alles Prüfzeugnisse?

    Harzbahner ich glaube ich lehne mich nicht sehr weit aus dem Fenster oder ist bei eurer 50 3708 auch St37 im Kessel verbaut ??

    MfG

  • Tach VI-K Fan,

    für zu Hause brauche ich kein Prüfzeugnis und für kleine Kessel spare ich mir das auch.

    Es ist zu befürchten, dass es hier in Deutschland sowieso nicht mehr lange dauert, bis das Ganze aufs übelste Reglementiert wird.

    Mal ganz ehrlich, wenn es hier um eine kleine "Druckdose" aus Metall geht, springen hier sämtliche Reichsbedenkenträger an und fangen an zu ventilieren ...

    Der Rest von einer Lok scheint nicht gefährlich zu sein, zB. Eigenbau Sicherheitsventile usw.

    Bei den Materialstärken, den Druckgrößen und Volumengrößen auf Zertifikate zu pochen ... der TÜV ist mittlerweile "Dienstleister".

    Bauen wir kleine Kessel oder Großkraftwerke ... ?? Bei so vielen Prüfzeugnissen und und und bauen wir zweifelsfrei Großkraftwerke.

    Wenn die Arbeit handwerklich gut gemacht ist, ist so ein Kessel in der Regel auch in Ordnung.
    Der TÜV nimmt sich bei Schäden auch im nach hinein nichts an. Wie bspw. einem Karussell Unfall bei uns auf der Kirmes, 1 Tag nach der TÜV Abnahme.

    Ausserdem, was nützt dir das Material Prüfzeugnis, wenn du keinen Schweißer mit Prüfzeugnis an der Hand hast ??

    Vielleicht sollte man das alles mal im Ganzen betrachten ...

    Es werden Bremsen gebaut, ohne TÜV Abnahme ... ist das weniger relevant ... ??
    Es werden Gastanks selber gebaut, ohne TÜV Abnahme ... das interessiert keine Sau ... ??

    Gruß Bucki ... der die Kirche gerne mal im Dorf läßt

  • Bucki hat vollkommen Recht!

    Alle Leute vergessen immer den 'Fluch der Dimension'. Der Energieinhalt eines Lok-Kessels in 1:10 ist weit weniger als 0.001 des Vorbildes, wegen Volumenreduktion zur 3. Potenz des Maßstabfaktors und wegen der niedrigeren Drücke. Die Kesselbleche im Modell sind dagegen total überdimensioniert.

    Im schlimmsten Falle wird ein Kessel an einer schwachen Stelle aufreißen. Nach dem ersten Leck erscheint eine große Dampfwolke wie beim Bruch des Standglases, das wars. Anders ist es, wenn ein Idiot in einen leeren, überhitzten Kessel in Panik Wasser pumpt. Das ist dann viel ernsthafter.

    Laßt uns alle zu Hause bleiben mit der Bettdecke über dem Kopf. Draußen ist doch der höllische Straßenverkehr und der ist mörderisch...