Detail an einer BR64

  • In disem Bild ...

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    sieht man oberhalb des (rechten) Schiebers dieses längliche Ding, was längst nicht alle 64er haben. Was genau ist das bitte?

    Auch Niggemann (Vater) hat es so realisiert:

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  • Moin Johannes,

    Das sollte der Druckausgleicher sein.
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    Viele Grüße

    Holger

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  • Ich will mich hier auch mal kurz zu dem Thema äußern. Denn
    Druckausgleicher gab es nicht nur bei der BR 64, man sieht Ihn auch bei einigen
    Baureihen. Unter anderem bei der BR 41 in Ihren ersten Auslieferungszustand.
    Die Funktion ist ja schon gut erklärt worden. So wie ich es gehört habe ist der
    Druckausgleicher bei späteren Auslieferungen nicht mehr montiert worden, weil der
    gewünschte Effekt nicht so groß war das es sich gelohnt hätte Ihn weiter Einzusetzen.
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    Gruß Morpheus

  • Hallo Johannes,

    in der Tat handelt es sich bei den Teilen um Druckausgleichsventile die bis zum Aufkommen der Nicolai-, bzw. Karl-Schulz-Schieber bis Mitte der 30iger Jahre verbaut wurden. Es sind so ziemlich alle Einheitsdampflokomotiven mit diesen Ventilen ausgerüstet gewesen.

    In dem Buch

    Dirk Endisch: Baureihe 41, Leonberg 2005

    heißt es in einer Fußnote auf Seite 15: "Die Druckausgleich-Kolbenschieber der Bauart Nicolai wurden 1922/23 von Karl Schulz (1870 - 1943) entwickelt, der seit 1892 in der Lokkonstruktion bei Vulcan in Stettin tätig war. Nachdem Vulcan die Nutzung und Vermarktung der von Schulz konstruierten Druckausgleich-Kolbenschieber abgelehnt hatte, gründete er gemeinsam mit einem Geschäftspartner die Nicolai-Kolbenschieber GmbH. ... Die Fertigung der Schieber übernahm Schichau im Auftrag der Nicolai-Kolbenschieber GmbH. ... 1936 wurde das Unternehmen arisiert und in die Karl-Schulz-Kolbenschieber GmbH umgewandelt. Der Vertrieb der Schieber oblag jetzt der Firma Schichau, die drei Jahre später der Karl-Schulz-Kolbenschieber GmbH übernahm. Zeitgleich setzte sich für den Nicolai-Schieber der Begriff >Karl Schulz-Schieber< durch."

    Demgegenüber bezeichnete sich die Union-Gießerei, Königsberg 1929 als "Urheberfirma des Nicolai-Schiebers" (vgl. Lok-Magazin 166, Jan./Feb. 1991, S. 43). Außerdem schreibt Messerschmidt in demselben Beitrag: "Um die Konstruktion und Einführung des Nicolai-Druckausgleich-Kolbenschiebers ... hatte sich Obering. Karl Schulz, der 1894 zur Union-Gießerei kam, besondere Verdienste erworben. Die Fertigung des bei der Reichsbahn nach Karl 'Nico' Schulz benannten Schiebers ging nach Schließung der Union Gießerei an Schichau über. Der Vertrieb des Schiebers lag jedoch zwischenzeitlich bei der Karl-Schulz-Kolbenschieber GmbH in Elbing.* *) Die Geschäftsführung von Schichau verlaßte, wie es 1939/40 offiziell hieß, 'daß der bisherige Nicolai-Kolbenschieber nur noch Karl-Schulz-Schieber genannt wird, um dem Erfinder dieses Schiebers, dem jetzt bei Schichau tätigen Oberingenieur Karl Schulz, die ihm schon bei Erfindung zustehende Ehrung nachträglich zuteil werden zu lasse.'" Auch in einem weiteren Beitrag von Wolfgang Messerschmidt heißt es, dass Schichau die Serienfertigung der Schieber erst 1930 für die Nicolai-Kolbenschieber GmbH, Elbing aufgenommen hat, vgl. Lok-Magazin 150, Mai/Juni 1988, S. 187 f. (Aus Drehscheibe Online Forum v. 6.10.13)


    Gruß


    Rainer

  • Mahlzeit!

    Das Thema Druckausgleicher ist eine spannende Sache, gab es auf dem Gebiet doch recht vielfältige Entwicklungen.

    Nachdem man vom Flachschieber zum Kolbenschieber übergegangen war, mussten sich die Konstrukteure Gedanken machen, wie der Druckausgleich zwischen den Zylinderräumen bei Leerfahrt zu bewerkstelligen sei. Bei den Flachschiebern geschieht er bekanntlich durch das Abheben des Schieberkörpers im Schieberrahmen selbsttätig.

    Ein Kolbenschieber ohne Druckausgleich würde im Leerlauf zunächst zu einer starken Komprimierung der Luft in den Zylinderräumen führen, was zu einer Abbremsung des Fahrzeugs führt. Um die Fahrtgeschwindigkeit zu halten, wäre ein früheres Öffnen und späteres Schließen des Reglers notwendig, sprich ein erhöhter Dampf und Brennstoffverbrauch wäre die Folge. Das Triebwerk würde stärker mechanisch, die Zylinder auch thermisch beansprucht. Der zeitweilige Unterdruck saugt Rauchgase, Ruß und Lösche aus der Rauchkammer über die Ausströmrohre, die Schieberkästen bis in die Zylinder, eine Verschlechterung der Schmierung und erhöhter Verschleiß sind die Folge. (Läßt sich sehr schön an schwarz gefärbten Kolbenstangen erkennen, wie man sie auch erhält, wenn Flachschieber mit zu geringem Schieberkastendruck laufen)

    Der Druckausgleicher muss also dafür sorgen, dass der Überdruck des einen Zylinderraumes mit dem Unterdruck des anderen Zylinderraumes ausgeglichen wird. Im Laufe der Zeit entwickelte man verschiedene Bauarten:

    -mechanisch betätigte Umlaufhähne
    -druckluftgesteuerte Druckausgleicher (alte Bauart Knorr mit Zylindersaugventilen, neue Bauart Knorr mit Eckventilen, Einheitsbauart)
    -dampfgesteuerte Druckausgleicher (Bauart Winterthur, vereinigtes Druckausgleich- und Zylindersaugventil Bauart Knorr-Müller (Knorr-Müller-Ventil)
    -Druckausgleichkolbenschieber (Bauart Karl-Schulz/Nicolai, Bauart Müller, Bauart Trofimow)

    Jede Bauart hat so ihre Eigenheiten und verlangt eine spezielle Bedienung, Fehlbedienung kann mitunter zu schweren Schieberschäden führen.

    Beispielsweise wird beim Trofimow-Schieber der Übergang von Last- auf Leerlauf wie folgt ausgeführt:

    -Regler stufenweise schließen
    -Steuerung auf 55% in Fahrtrichtung auslegen
    -Nach Absinken des Schieberkastendruckes Steuerung auf 10% in Fahrtrichtung auslegen

    Beim Karl-Schulz-Schieber hingegen wie folgt:

    -Regler schließen
    -Steuerung auf 60% in Fahrtrichtung auslegen und belassen

    Diese Ausführungen haben natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern gegen nur einen Überblick über Bauarten im deutschen Lokomotivbau.

    Bei der Schinznacher Baumschulbahn gibt es mit der Molly eine von SLM Winterthur gebaute Maschine, bei der man den Druckausgleich bei der Konstruktion einfach vergessen hat, was für denkbar schlechte Leerlaufeigenschaften sorgt, die ich schon selbst erleben konnte.


    Soweit meinen Senf dazu.

    Gruß Sven

    Lehrling von Nikolaj Nikolajew Lokomofeilowytsch, der unter einer sibirischen Eiche eine Dampflok aus dem Ganzen feilte... :D